Archiv für den Monat: September 2015

Google Maps betritt Gebäude

Frühjahr 2015

Eigentlich wollte ich bei Google Maps nachsehen, ob sich eine bestimmte Firma, die dort früher einmal war, noch im Kampnagel-Gebäudekomplex befindet. Aber auch zunehmende Zoomstufen fördern das Gesuchte nicht zutage, dafür aber einen überraschenden Detailreichtum der ebenfalls dort ansässigen Staples-Filiale: Deren Innenaufteilung und Warensortierung und -plazierung ist nämlich regalgenau wiedergegeben. So kann man seinen Büroartikel-Shoppingtrip noch genauer planen oder ist, mobile Daten vorausgesetzt, vor Ort nicht auf eine mündliche Auskunft auf die Frage angewiesen, wo sich denn die Haftnotizen befänden. Auch ein Geldautomat wird angezeigt.

staples

Neugierig geworden, versuche ich den Pegman (das kleine gelbe Streetview-Männchen) in den Büroartikelmarkt zu werfen, um herauszufinden, ob man sich sogar virtuell dort umsehen kann, aber ach, es kehrt unverrichteter Dinge an seine Warteposition zurück. Doch es gibt Hoffnung: Beim Greifen des Pegman wird ein Overlay eingeblendet, der mit einem Eintrag „Von innen ansehen“ vermuten läßt, das sei nur eine Frage der Zeit. (Bei der TARDIS vor der Londoner U-Bahn-Station Earl’s Court geht’s ja schließlich auch.)

Pegman bei Staples

Gedanklich fast schon wieder weg, schießt mir im letzten Moment erst die wahre Bedeutung dieser Entdeckung durch den Kopf. Wenn es etwas gibt, wo man vor Ort nicht auf die mündliche Auskunft von Geheimwissenden angewiesen sein möchte, dann sind es … Baumärkte!

Also nochmal zurück auf die Karte und nachgeprüft. Aber hier hat diese Zukunft noch keinen Einzug gehalten — Bauhaus Wandsbek, Hagebaumarkt Altona und Obi Moorfleet: Alles nur große, graue Blöcke. Schade auch. Da ich schon gerade in Moorfleet rumlungere, noch schnell ein Blick zu Ikea, aber da sieht’s genauso aus.

(Erstmalig veröffentlicht im Techniktagebuch.)

Warentrenner als Lichtschrankentrigger

Die 2010er Jahre

Szenario Supermarktkasse. Früher wurde das Kassentransportband durch einen Fußschalter des Kassenpersonals gesteuert, der einfach betätigt wurde, wenn das Band die Waren weitertransportieren sollte. Offenbar hatte dann irgendjemand die Idee, man könne oder solle die Leute von diesem ständigen An-Aus-An-Aus entlasten, das Band auf Dauerlauf stellen und nur anhalten, wenn Waren direkt vor der Kasse eine Lichtschranke unterbrechen. Mit Wegnahme der zu scannenden Ware wird die Lichtschranke freigegeben und das Band schafft den nächsten Artikel ran.

Selten habe ich einen technischen Plan so scheitern sehen.

Von den parallel zum Transportband bereitgelegten Warentrennern, die die Kunden zwischen ihre Artikelberge legen, wird seitdem immer einer vom Kassenpersonal zweckentfremdet und in Längsrichtung an den Rand des Bands gelegt, damit die Lichtschranke so lange unterbrochen ist, bis der Trenner ein Stück nach hinten geschubst wird und neue Artikel erst dann rantransportiert werden.

Ich erlaube mir die absolute Aussage „immer“, weil ich es noch nie jemanden habe anders machen sehen, soweit ich mich erinnern kann. Man kann, denke ich, guten Gewissens schlußfolgern, daß diese technische Neuerung komplett an der Arbeitswirklichkeit von Kassiererinnen und Kassierern vorbei, ohne Rücksprache mit ihnen und ohne Berücksichtigung von Feedback konzipiert, entwickelt und eingeführt wurde. Ich bin neugierig, ob sich in nächster Zeit doch noch eine Alternative abzeichnet, die ihren Weg ins Kassenwesen findet. Oder zurückfindet.

(Erstmalig veröffentlicht im Techniktagebuch.)

Mit drei Apps den Busersatzverkehr ersetzt

31. Juli 2015

Ich wohne in Hamburg in St. Georg und bin um 18:30 Uhr in Harvestehude verabredet. Das Ziel ist nur zweieinhalb Kilometer Luftlinie entfernt, aber Ortskundige wissen, daß sich unpraktischerweise die Außenalster dazwischen befindet. Man greift also zur U-Bahn. Ich bin allerdings schon darauf vorbereitet, daß ab Jungfernstieg für die zweite Streckenhälfte Busersatzverkehr wegen Bauarbeiten eingesetzt wird.

Worauf ich allerdings nicht vorbereitet bin bzw. was mir erst in dem Moment wieder einfällt, als ich am Jungfernstieg an die Oberfläche komme, ist das Prideweek-Straßenfest, das an diesem Wochenende stattfindet und weswegen die Bushaltestelle außer Dienst ist. Immerhin ist am Haltestellenpfosten eine Bekanntmachung mit der Ersatzhaltestelle: Sternschanze.

Die eingangs erwähnten Ortskundigen fassen sich synchron mit mir an die Köppe und stimmen ein voluminöses „WTF?!“ an. Zur gefälligen Erläuterung dessen folgt hier eine Skizze, in Worte kann man das nicht fassen. Ich informiere meine Verabredung, daß es später wird.

Verkehrsmittelmix

(Selbst bearbeiteter OpenStreetMap-Screenshot)

Ein Mittelstreckenlauf zur Sternschanze steht nicht zur Debatte. Stattdessen setzt eine beispiellose Staffel von Verkehsmitteln ein: Wie komm‘ ich jetzt nach Harvestehude? Carsharing! Die car2go-App meldet mir ein Fahrzeug am Dammtorbahnhof (siehe Skizze, ziemlich mittig, östlich von Planten un Blomen). Ich bin immer noch an der Bushaltestelle, auch ohne Straßenfest wäre das ein strammer Fußmarsch von einer Viertelstunde und ich bin schon im Verzug.

Nächste Idee: StadtRAD. Deren App weist eine Station an der Ecke Neuer Jungfernstieg aus, das ist 50 m weiter. Am Dammtorbahnhof ist auch eine, das Abstellen ist also gesichert. car2go reserviert. Wenige Minuten später stehe ich davor, der car2go-Server reagiert nicht auf die Entriegelungsbemühungen und die Hotline übt sich in Warteschleife. Nach einigen Minuten fällt mein Blick auf eine DriveNow-Auto ein paar Stellplätze weiter. car2go kann also jetzt mal sehen, wo es bleibt, eine ungenutzte Reservierung verfällt nach 30 Minuten folgenlos.

Also Schwamm drüber und den BMW gebucht. Aber der reagiert auch nicht auf Öffnungsversuche per App und auch nicht auf den RFID-Chip des DriveNow-Führerscheinaufklebers. Nächste Hotline, da ist immerhin sofort jemand dran. Mit Kennzeichenvergleich stellt sich heraus: Der BMW, vor dem ich stehe, ist nicht der gebuchte. Der steht zwei Reihen weiter und ist wegen der vorangegangenen App-Aktivität („Apptivität“? *) auch schon entriegelt. Die beiden Icons sind in der App tatsächlich so nah beieinander, daß ich nicht gesehen habe, daß es zwei sind, aber für das System bin ich nah genug an dem anderen dran, um ihn öffnen zu dürfen.

Message an die Verabredung – „Unterwegs!“, inzwischen ist es 19 Uhr – und los. 5 Minuten später gibt es wenigstens keine Parkplatzprobleme und ich bin am Ziel.

Rückblickend wäre wohl am schnellsten gewesen, einfach mit dem StadtRAD zur Hallerstraße durchzufahren und dann 5 min zu Fuß bis ans Ziel, aber da war noch nicht mit dem car2go-Fail und der BMW-Verwechslung zu rechnen.

* Additional Fact: Das Wort „Apptivität“ ist im Moment bei Google noch nicht bekannt. Ich setze mir hiermit den Worterfinderhut dafür auf.

(Erstmalig veröffentlicht im Techniktagebuch.)