Mit drei Apps den Busersatzverkehr ersetzt

31. Juli 2015

Ich wohne in Hamburg in St. Georg und bin um 18:30 Uhr in Harvestehude verabredet. Das Ziel ist nur zweieinhalb Kilometer Luftlinie entfernt, aber Ortskundige wissen, daß sich unpraktischerweise die Außenalster dazwischen befindet. Man greift also zur U-Bahn. Ich bin allerdings schon darauf vorbereitet, daß ab Jungfernstieg für die zweite Streckenhälfte Busersatzverkehr wegen Bauarbeiten eingesetzt wird.

Worauf ich allerdings nicht vorbereitet bin bzw. was mir erst in dem Moment wieder einfällt, als ich am Jungfernstieg an die Oberfläche komme, ist das Prideweek-Straßenfest, das an diesem Wochenende stattfindet und weswegen die Bushaltestelle außer Dienst ist. Immerhin ist am Haltestellenpfosten eine Bekanntmachung mit der Ersatzhaltestelle: Sternschanze.

Die eingangs erwähnten Ortskundigen fassen sich synchron mit mir an die Köppe und stimmen ein voluminöses „WTF?!“ an. Zur gefälligen Erläuterung dessen folgt hier eine Skizze, in Worte kann man das nicht fassen. Ich informiere meine Verabredung, daß es später wird.

Verkehrsmittelmix

(Selbst bearbeiteter OpenStreetMap-Screenshot)

Ein Mittelstreckenlauf zur Sternschanze steht nicht zur Debatte. Stattdessen setzt eine beispiellose Staffel von Verkehsmitteln ein: Wie komm‘ ich jetzt nach Harvestehude? Carsharing! Die car2go-App meldet mir ein Fahrzeug am Dammtorbahnhof (siehe Skizze, ziemlich mittig, östlich von Planten un Blomen). Ich bin immer noch an der Bushaltestelle, auch ohne Straßenfest wäre das ein strammer Fußmarsch von einer Viertelstunde und ich bin schon im Verzug.

Nächste Idee: StadtRAD. Deren App weist eine Station an der Ecke Neuer Jungfernstieg aus, das ist 50 m weiter. Am Dammtorbahnhof ist auch eine, das Abstellen ist also gesichert. car2go reserviert. Wenige Minuten später stehe ich davor, der car2go-Server reagiert nicht auf die Entriegelungsbemühungen und die Hotline übt sich in Warteschleife. Nach einigen Minuten fällt mein Blick auf eine DriveNow-Auto ein paar Stellplätze weiter. car2go kann also jetzt mal sehen, wo es bleibt, eine ungenutzte Reservierung verfällt nach 30 Minuten folgenlos.

Also Schwamm drüber und den BMW gebucht. Aber der reagiert auch nicht auf Öffnungsversuche per App und auch nicht auf den RFID-Chip des DriveNow-Führerscheinaufklebers. Nächste Hotline, da ist immerhin sofort jemand dran. Mit Kennzeichenvergleich stellt sich heraus: Der BMW, vor dem ich stehe, ist nicht der gebuchte. Der steht zwei Reihen weiter und ist wegen der vorangegangenen App-Aktivität („Apptivität“? *) auch schon entriegelt. Die beiden Icons sind in der App tatsächlich so nah beieinander, daß ich nicht gesehen habe, daß es zwei sind, aber für das System bin ich nah genug an dem anderen dran, um ihn öffnen zu dürfen.

Message an die Verabredung – „Unterwegs!“, inzwischen ist es 19 Uhr – und los. 5 Minuten später gibt es wenigstens keine Parkplatzprobleme und ich bin am Ziel.

Rückblickend wäre wohl am schnellsten gewesen, einfach mit dem StadtRAD zur Hallerstraße durchzufahren und dann 5 min zu Fuß bis ans Ziel, aber da war noch nicht mit dem car2go-Fail und der BMW-Verwechslung zu rechnen.

* Additional Fact: Das Wort „Apptivität“ ist im Moment bei Google noch nicht bekannt. Ich setze mir hiermit den Worterfinderhut dafür auf.

(Erstmalig veröffentlicht im Techniktagebuch.)