Auf einer Mailingliste ergab sich aus einer Diskussion die Rückfrage:
wir überlegen, nächstes Jahr im August nach London zu reisen.
Wir würden gerne relativ günstig fliegen, haben aber gerade überhaupt gar keinen Plan, von wo es denn so am günstigsten und schnellsten ist, z.B London Frankfurt München oder ähnliches. Oder ist aus Eurer Erfahrung Zug die bessere Alternative? Wenn ja, wie lange würde das im Vergleich dauern?
Oder auch: hat jemand Erfahrung mit Fahrt mit dem Auto??
Ich habe daraufhin den folgenden Leitfaden zusammengeschrieben:
In, äh, aller Kürze unsere gesammelten Erfahrungen aus einem Londonbesuch (sehr gelegentlich zwei) pro Jahr über die letzten Jahrzehnte:
Mobilität
Flüge
Gesicherte Geheimtipps gibt es derzeit nicht, den zur jeweiligen Zeit preiswertesten FLug hatten wir sowohl schon bei Ryanair als auch bei Lufthansa oder British Airways und einigen dazwischen wie Easyair, Eurowings, Air Berlin. Vielleicht auch noch andere, aber an die erinnere ich mich nicht mehr. Also Suchmaschine anwerfen, sei es Google, fluege.de, flüge.de, billigflieger.de oder check24.de oder noch was anderes. Immer auch noch die Homepages der Fluggesellschaften selbst hinzuziehen. Dort sind die Gepäckregeln oft etwas „liberaler“ und manchmal auch die Storno- und Umbuchungsregeln. Aktuelle Preisspanne dürfte bei 80-200€/Person liegen. ACHTUNG: Dabei abzugleichen, was Aufgabegepäck ist und was Kabinengepäck und wie groß das Kabinengepäck maximal sein darf und wieviel davon jeweils im Preis drin ist, unterscheidet sich teilweise deutlich und ist eine Vergleichskategorie aus der Hölle. Zusatzgepäck kostet in der Regel ERHEBLICH extra.
Flughafentransfer
Eindeutiger Vorteil für Heathrow, weil an die U-Bahn angeschlossen und das ist in der Regel spürbar preiswerter. Es gab Zeiten, da hat die einfache Fahrt Off Peak 2,60£ gekostet. Die Zeiten sind vorbei, aber in der Regel ist es immer noch höchstens ein mittlerer einstelliger Betrag. Die Fahrt dauert ca. eine Dreiviertelstunde. Alle Flughäfen haben auch Busanbindungen oder auch Expresszüge, da wird’s aber bald zweistellig.
Eisenbahn
Noch nicht getestet, steht aber für das nächste Mal auf der Checkliste. Wenn lange genug vorher gebucht wird, gibt sich das preislich wohl nicht viel und ist ein massiver ökologischer Vorteil. Dem Vernehmen nach ist es ja wohl auch erheblich komfortabler und letztlich dauert es dann auch nicht so viel länger, wenn Du beim Flug halt auch noch Transfer und Security Theater einberechnest.
Auto
Den Stress mit Linksverkehr, Combustion Zone und Parken würde ich mir persönlich nicht geben.
Nahverkehr
Oyster Card ist am universellsten, das ist eine kontaktlose Prepaid-NFC-Karte, die zu Beginn der Fahrt/Betreten der Station eingelesen wird und am Ende nochmal (Busfahrten pauschal einmal beim Einsteigen) und die entsprechenden Fahrtkosten werden dann abgezogen. Aufladen/Nachladen an allen Tube-Stationen bar oder bargeldlos. Die Kosten sind auf ein Tagesticket gedeckelt, d.h. wenn Du so oft fährst, dass das billiger wäre, erkennt das System das automatisch und bucht nach Erreichen der Kosten für eine Tageskarte nicht weiter ab. Dem Vernehmen nach ist diese Funktionalität inzwischen auch direkt mit NFC-fähigen Kreditkarten gegeben und ggf. sogar per Handy mit Google-/Apple-Pay. Das habe ich aber noch nicht ausprobiert. Je nach Freizeitplänen könnte auch ein Blick auf Travelcard oder Londoncard(?) interessant sein, da sind u.U. noch Eintrittspreise oder Ermäßigungen für touristische Attraktionen enthalten.
Tourismus
London. Ist. Sauteuer. Punkt.
Positive Ausnahme: Die staatlichen Museen (Hot Spot Kensington mit V&A, Science Museum, Natural History, ansonsten British Museum, Tate Britain, Tate Modern, National Gallery usw usw) kosten keinen Eintritt, aber eine Spende wird gerne gesehen. Trotzdem kann es erforderlich sein, ein Timeslot-Ticket zu buchen (geht auch online), so wird teilweise die Auslastung gesteuert und im Ernstfall eine Evakuierung. Weitere positive Ausnahme: Sky Garden, das ist ein riesiger Wintergarten in den obersten 4-5 Stockwerken eines Bürogebäudes im financial district mit einer bombastischen Aussicht. Aber auch da: Gratis Timeslot deutlich im Voraus buchen, das ist sehr begehrt. Wenn die Flexibilität da ist: Timeslot rund um Sonnenuntergang nehmen und auf gutes Wetter hoffen. Absolut atemberaubend!
Negative Nicht-Ausnahmen: Die großen Kirchen (WM Abbey, St. Pauls) kosten Eintritt und der Tower ist KEIN staatliches Museum in diesem Sinne. 🤪 Hintertür bei den Kirchen: Gottesdienste kosten natürlich keinen Eintritt, hier die Zeiten für den „choral evensong“ in Erfahrung bringen, dann kriegst Du auch genau das, einen kurzen choralen Gottesdienst. Sie achten dann aber durchaus darauf, dass es dabei bleibt und scheuchen Dich anschließend schnell wieder raus, denn als Tourist sollt Du zahlen. War trotzdem eine schöne Erfahrung, dort überraschend auf den einen oder andern Choral von Bach oder Händel (Immerhin Englands berühmtester Barockkomponist! 🙃) zu stoßen, den ich selber schon mal gesungen habe, dann ging’s immerhin noch im Eiltempo am Grabmonument von Isaac Newton und direkt davor der Grabplatte von Charles Darwin vorbei. Stephen Hawking liegt mittlerweile zwischen den beiden.
Wir waren sogar mal im Parlament, quasi zufällig. Nämlich sind wir im genau richtigen Moment ca. hier vor der Tür vorbeigelaufen, als die dort einen visitor’s entrance einrichteten. Gab keine Schlange und ganz treudoof gefragt, ob da spontan als Tourist eine Besichtigung möglich wäre und, ja, war es. Aufbau abgewartet, Pässe kontrolliert, Taschen durchleuchtet und drin waren wir. Konnten fast frei umherlaufen zwischen Stephen’s Hall, Westminster Hall, Lobby und den Besuchergalerien von Lords und Commons. (Die Diskussion im Hose of Lords war erheblich interessanter als die im House of Commons, weiß aber nicht mehr, um was es ging. Ist schon >10 Jahre her …) Keine Ahnung, durch welche Lücke wir da gerutscht sind, aber normalerweise musst Du sogar als Brite lange im Voraus Timeslots buchen, dann kommen (bzw. kamen) EU-Bürger und dann der Rest. Glück gehabt.
(Taschenkontrollen sind übrigens sehr üblich und verbreitet. Und längst nicht alle Hot Spots haben Garderoben oder Schließfächer oder nur kleine und/oder teure – hier vorher versuchen, schlauzumachen.)
Ein weiterer Tip: Justice Tour (oder so ähnlich): Es gibt eine Führung durch das Justizviertel und einige der historischen Gebäude mit der Gelegenheit, in laufende Gerichtsverhandlungen reinzuschauen. Hier greift die Falle mit den Schließfächern (s.o.). Du darfst nämlich keine Taschen mit reinnehmen und einige der Shops in der Umgebung haben Taschenaufbewahrung als lukrativen Nebenerwerb entdeckt.
Sonst brauch‘ ich nicht viel zu Tourismus und Freizeit zu sagen. Es ist London, Du kannst Dich wochenlang beschäftigen und die einzigen Grenzen sind Zeit und Geld. Spezifisch im Hinblick auf Kinder kann ich keine Erfahrungen beitragen, aber auch da gilt: Ausstellungen aufbereiten können die Engländer exzellent (hier nochmal der Tip zum Science Museum)! Das Museum of London hat mal die 2017 gefundene riesige Fettberg-Kanalisationsverstopfung als eigene Ausstellung „The Blob“ inszeniert. 🤣
Natur auf eigene Art: Eichhörnchen im Hyde Park und Stare in Camden Market (ja, Stare, nicht Stars. Da steht zwar auch eine Statue von Amy Winehouse, aber ich meine die Vögel). Beides sehr zutraulich und an Touristen gewöhnt. 🙂
Ich persönlich klopfe im Vorfeld z. B. bei Visit London (gibt aber auch andere) ab, ob mir da irgendwelche Sonderausstellungen ins Auge springen, desgleichen auch auf den Homepages der verschiedenen individuellen Museen (Achtung: Die Sonderausstellungen können ggf. trotz Gratiszugangs dann durchaus eigenen Eintritt kosten.)
Unterkunft
Ggf. wiederhole ich mich: London. Ist. Sauteuer. Punkt. Gerade mit Kindern wäre aber möglicherweise eine Überlegung wert, kein klassisches Hotel anzusteuern, sondern ein managed apartment mit Kühlschrank und Küchenzeile, das mildert die Ernährungskosten in der Regel spürbar, denn sich ein paar Tage in Restaurants und Cafes zu ernähren, kann zum mit Unterkunft und Reise vergleichbarem Kostenblock werden, denn: London. Ist. Sauteuer. Punkt. Das Finden einer Unterkunft ist prozessural mit der Flugbuchung vergleichbar – dauerhafte Geheimtipps gibt es nicht und in der Regel kommst Du mit Meta-Vergleichsportalen am weitesten, sei es check24.de, opodo.de oder trivago.de oder wie sie alle heißen. Da sind u.U. auch noch flexiblere Stornovereinbarungen oder Umbuchungen möglich. Und wenn dort was gefunden wurde, auch nochmal bei der betreffenden Unterkunft auf deren eigener Homepage abklopfen, vielleicht wird’s noch preiswerter.
Hoffe, das hilft weiter.